Der Reiz des Unfertigen
Die Galerie Junge Kunst zeigt Gemälde
der Berliner Künstlerin Kristina Girke
Im Auge des Mönchs: Kristina Girke steht vor
einem ihrer Gemälde. Bilder der
Berliner Künstlerin sind nun in Trier zu sehen. TV-FOTO: EVA-MARIA REUTHER
Eine
sehr reizvolle und unbedingt sehenswerte Ausstellung zeigt die
Junge
Kunst Trier. Im Galerieraum in der Karl-Marx-Straße präsentiert
der
Verein Gemälde der Berliner Künstlerin Kristina Girke.
Von
unserer Mitarbeiterin Eva-Maria Reuther
Trier. „Jeder
Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für
sein
Leben hält“, heißt es in Max Frischs Roman „Mein Name sei Gantenbein“.
Wer
dieser Tage Kristina Girkes Gemälde im Kunstverein Junge Kunst betrachtet,
hat
unmittelbar das Gefühl, zum Mitwisser solch einer in der Bildsprache und ihren
Zeichen
verschlüsselten Erfindung zu werden.
Wirken
doch die phantastischen Bildräume der Berliner Malerin wie lebendige viel-
schichtige
Kosmen, in denen Welt- und Selbsterfahrung als Chiffren und Ornamen-
te
auftauchen und umherirren. Schicht um Schicht lagern sie sich zu neuen Bildern
und
jenem unsicheren Stoff übereinander, aus dem Erinnerung und Wahrnehmung
gemacht
sind. Wohin die Geschichte gehen sollte, die sich die 1968 in Halle gebo-
rene
Künstlerin als Leben vorstellte, war wohl schon früh klar.
„Ich
habe immer Malerin werden wollen“, erzählt die Wahlberlinerin, die – der Be-
schränkungen
der einstigen DDR wegen – einen Umweg über die Medizin nehmen
musste,
bevor sie in Berlin ihr Kunststudium absolvieren konnte. Schon als kleines
Mädchen
habe sie gern zeichnend dabeigesessen, wenn ihr Vater, ein Architekt, in
den
heimatlichen Kirchen und Denkmälern tätig gewesen sei. Was Wunder, dass in
den
Arbeiten der weltläufigen Künstlerin bis heute die gotischen Kirchenrosen eben-
so als
Form auftauchen, wie uralte Christus-Profile, barocke Putten oder exotische
Farbenpracht.
Eines
ihrer schönsten Trierer Bilder zeigt eine himmelwärts strebende altmeisterli-
che
Figur, die schemenhaft durch die grüne Bildoberfläche schimmert. Überhaupt
das
Schimmern, die Ungewissheit und Irritation sind ganz bedeutsam für Girkes
Gemälde,
denen sie, bevor es zu tiefsinnig zu werden droht, gern eine wohltuen-
de Brise
Ironie beimischt. Die Irritation, die sich beim Betrachten der Bilder
einstellt,
wird
noch durch Kristina Girkes Vorliebe fürs Ornament verstärkt. Als flächige Ge-
bilde
und Muster bestimmen ihre Ornamente die Bildfläche und versagen sich und
dem
Gemälde jeden Eindruck von Räumlichkeit und Realität.
Keine
Schnellschüsse
Bisweilen
versucht dann doch eine dreidimensionale geometrische Form das Un-
mögliche
in dieser bunten heiteren Bilderwelt und geistert gleichsam unbehaust,
als
Störfaktor durchs Bild. Kristina Girkes Bilder sind keine Schnellschüsse. Ihr
Bild-
aufbau
ist kompliziert und langwierig. Schicht um Schicht legt sie Bildebene über
Bildebene,
schleift sie ab, und nutzt vielfältige Malmittel, darunter Öl- und Acrylfar-
be sowie Lack. In der Karl-Marx-Straße sind
wegen des nicht zu finanzierenden
aufwendigen
Transports nicht die riesigen wandfüllenden Formate der Künstlerin
zu
sehen. Aber bereits in diesen kleineren Formaten wird deutlich, wie vielfältig
und
widersprüchlich sogar brüchig das Innenleben dieser Bilderkosmen ist, die sich
nach
außen dennoch bisweilen fast hermetisch abschließen.
Der Reiz
der besten dieser Bilder liegt gerade in ihrem Eindruck von Unfertigkeit.
Soll
heißen ihrem Ausdruck einer scheinbaren Unordnung, in der nichts sicher zu
sein
scheint und die dennoch Voraussetzung für geistige Freiheit ist. Wer sich da-
rauf
einlässt, dem öffnet sich ein weiter Raum der Phantasie und geistigen Refle-
xion,
in dem Platz ist für neue Ideen und eigene Vorstellungen.
● Bis 26. März, Samstag und Sonntag, 14
bis 17 Uhr und nach Vereinbarung,
Tel.: 0651- 9763840,www.junge-kunsttrier.de,
Schaufenstergalerie täglich
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Letzte Aktualisierung: 11.03.2016 09:10:27 | © 2016 Kunstverein Trier Junge Kunst e.V. |